Aktuelles zum Strafrecht

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Aktuelles zum Strafrecht


(Beachten Sie bitte, dass es sich bei den Meldungen und Entscheidungen, Aktuelles zum Strafrecht, in der Regel um Einzelfallentscheidungen handelt. Diese sind nicht ohne weiteres auf andere Fälle übertragbar und können eine Rechtsberatung im konkreten strafrechtlichen Einzelfall nicht ersetzen!)


 

Kinderpornographie Lehrer

Der Besitz von Kinderpornographie ist nach § 184b Abs. 3 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren bedroht.

Ist der Beschuldigte Ersttäter, beträgt die verhängte Strafe in der Regel weniger als 2 Jahre und wird auch zur Bewährung ausgesetzt.

Insbesondere, wenn der Beschuldigte Beamter ist, drohen allerdings gravierende berufsrechtliche Konsequenzen.

Bis vor wenigen Jahren war es so, dass die Rechtsprechung danach unterschied, ob sich die Kinderpornografie auf dem Dienstrechner oder auf privaten Speichermedien befand. In letzteren Fällen drohte in der Regel keine Entfernung aus dem Dienst.

Dies hat sich nun gründlich geändert.

Ein Beamter der Agentur für Arbeit war wegen Besitzes von Kinderpornografie auf seinem privaten Rechner zwar zu lediglich 9 Monaten auf Bewährung verurteilt worden, wurde aber aufgrund einer inzwischen rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Meiningen aus dem Dienst entfernt, das Bundesverwaltungsgericht hat dies nun auch für zwei Berliner Lehrer bestätigt, die sich in vorhergehenden Instanzen noch erfolgreich gegen den Verlust des Beamtenstatus und der Pensionsansprüche gewehrt und die in den jeweiligen Strafverfahren lediglich Geldstrafen von 50 bzw. 90 Tagessätzen erhalten hatten- Urteile vom 24.10.2019 – 2 C 3.18 und 2 C 4.18.

 

Pflichtverteidigung bereits im Ermittlungsverfahren

Mit der EU-Richtlinie 2016/1919 die spätestens bis zum 25. Mai 2019 umgesetzt werden muss, etabliert sich die Notwendigkeit einer Entscheidung über die Beiordnung eines Rechtsanwalts.

Die wichtigste Änderung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls folgt aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie. Denn dort heißt es, dass Entscheidungen über die Bestellung von Rechtsbeiständen unverzüglich zu treffen sind und zwar bis spätestens vor einer Befragung durch die Polizei oder einer anderen Strafverfolgungsbehörde oder einer Justizbehörde oder vor der Durchführung einer Ermittlungs- oder Beweiserhebungshandlung einschließlich der Identifizierungsgegenüberstellung, einer Vernehmungsgegenüberstellung oder einer Tatortrekonstruktion gem. Art. 2 Abs. 1 lit. c der Richtlinie.

Damit wird ein weiterer Schritt getan, um die Waffengleichheit zu Beginn eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens herzustellen. Anders ist die derzeitige Rechtslage, die es in die Entscheidungsgewalt der Staatsanwaltschaft stellt, bereits im Ermittlungsverfahren für eine Beiordnung zu sorgen. Ein eigenes Antragsrecht des Beschuldigten gibt es nicht.

Allerdings ist bereits jetzt neu, dass der Ermittlungsrichter über die vorzeitige Beiordnung schon im Ermittlungsverfahren entscheidet, wenn eine richterliche Vernehmung angeordnet ist und die Mitwirkung eines Verteidigers aufgrund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint, § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO. Dann kommt es auf einen Antrag durch die Staatsanwaltschaft nicht an.

 

Kündigung wegen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe

Ein Arbeitgeber kann das Beschäftigungsverhältnis mit einem Arbeitnehmer kündigen, der eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen hat und dessen vorzeitige Entlassung nicht sicher erwartet werden kann. Überbrückungsmaßnahmen sind nicht erforderlich, der Arbeitsplatz kann endgültig neu besetzt werden. Entwicklungen in der Vollzugszeit, z.B. die Möglichkeit des offenen Vollzugs oder der vorzeitigen Haftentlassung, die erst nach der Kündigung eintraten, sind nicht erheblich (LAG Hessen, 21.11.2017, Az. 8 Sa 146/17; PM 02/18 v. 08.02.2018).

 

Die Aussagefreiheit des Beschuldigten im Strafverfahren

Bei Beginn der ersten Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen (§ 136 Abs. 1 S. StPO). Er ist darauf hinzuweisen, dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen (§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO). Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren (§ 136 Abs. 1 S. 3 StPO). Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen (§ 136 Abs. 1 S. 4 StPO). Die Aussagefreiheit des Beschuldigten und das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung sind notwendiger Ausdruck einer auf dem Leitgedanken der Achtung der Menschenwürde beruhenden rechtsstaatlichen Grundhaltung. Dazu gehört, dass im Rahmen des Strafverfahrens niemand gezwungen werden darf, sich durch seine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zu seiner Überführung aktiv beizutragen. Der Beschuldigte muss frei von Zwang eigenverantwortlich entscheiden können, ob und gegebenenfalls inwieweit er im Strafverfahren mitwirkt. Die Verletzung der Aussagefreiheit kann auch außerhalb von Vernehmungen nach §§ 136, 136a StPO zu einem Beweisverwertungsverbot führen, so z.B. wenn sich ein Beschuldigter im ununterbrochenen polizeilichen Gewahrsam befindet, in dem auf das Recht zu Schweigen nicht Rücksicht genommen wird, sondern eine dauerhafte Befragung stattfindet (Bundesgerichtshof, 06.03.2018, Az. 1 StR 277/17).

 

Anforderungen an den Anklagesatz beim Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (§ 200 Abs. 1 S. 1 StPO).  Enthält die Anklageschrift diese Angaben, die als Umgrenzungsfunktion bezeichnet werden, nicht, kann sie an einem wesentlichen Mangel leiden, der zur Verfahrenseinstellung (§ 206a StPO bzw. § 260 Abs. 3 StPO) führen kann.. Insbesondere in Strafverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) ist es immer wieder streitig, ob die Umgrenzungsfunktion der Anklageschrift gewahrt wurde. Um die Umgrenzungsfunktion zu wahren muss im Anklagesatz das relevante Verhalten und der Taterfolg i.S.v. § 266a StGB angeführt sein. Einer Berechnungsdarstellung der nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge bedarf es hingegen nicht (Bundesgerichtshof, 09.01.2018, Az.: 1 StR 370/17).

 

„Strafkammerbericht“ des OLG Celle

Von 2009 bis 2014, haben Landgerichte Daten von über 11.000 Strafverfahren erhoben, die das Oberlandesgericht Celle ausgewertet hat. Der „Strafkammerbericht“ von Dr. Sabine Ferber fasst die Ergebnisse der Erhebung auf knapp 200 Seiten zusammen. Die breit angelegte Untersuchung und die große Zahl der beteiligten Gerichte hat zu einem enormen Fundus von Daten geführt, der u.a. wichtige Hinweise für Gerichtsorganisation und Geschäftsverteilung liefert. Dabei darf aber nicht verkannt werden, dass das Gerichtsverfassungsgesetz und die Strafprozessordnung den Gerichten insoweit nur wenig Spielraum lassen. Deshalb können die Ergebnisse der Erhebung auch im Reformprozess des Strafverfahrensrechts genutzt werden. In der Spitze haben sich 22 Landgerichte aus 6Bundesländern, darunter alle Landgerichte aus dem Oberlandesgerichtsbezirk Celle (also die Landgerichte Bückeburg, Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Stade und Verden) an der Untersuchung beteiligt. Sie haben nicht nur die üblichen Statistikdaten übermittelt, sondern darüber hinaus Daten erfasst, die sich aus Protokollen der Hauptverhandlungen oder richterlichen Verfügungen ergeben, wie z.B. die Anzahl von Angeklagten und Verteidigern, die Zahl der Hauptverhandlungstage und deren Dauer, die Zahl der Befangenheitsanträge oder den Aktenumfang. Wesentliche Erkenntnisse der Datenauswertung sind u.a.:
Nichthaftsachen vor allgemeinen Strafkammern und Jugendstrafkammern dauern durchschnittlich doppelt so lange (300Tage zwischen Eingang der Anklage bei Gericht und abschließender Entscheidung)wie Haftsachen. Nichthaftsachen vor den Wirtschaftsstrafkammern dauern nochmal doppelt so lange.
Wegen der Verfahrensdauer wurde in Haftsachen vor den allgemeinen Strafkammern und den Jugendstrafkammern in weniger als 2 % der Fälle das Strafmaß im Wege eines Vollstreckungsabschlages reduziert. In Nichthaftsachen vor den Wirtschaftsstrafkammern lag der Anteil im Erhebungszeitraum zwischen einem Drittel und einem Viertel der Verfahren.
Bei einzelnen Gerichten gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen einem hohen Schwierigkeitsgrad der Verfahren,der u.a. anhand von Umfang der Akten und Zahl der Anklagten ermittelt wurde, und der Verfahrenslaufzeit.
Der Anteil der Haftsachen, die vor den allgemeinen Strafkammern in einer Kammerbesetzung mit nur zwei statt mit drei Berufsrichtern verhandelt wurden, ist von 2009 bis 2014 kontinuierlich und erheblich von 79 %auf 49 % gesunken. Gleiches gilt für die Nichthaftsachen. Dort sankt der Anteil der in Zweierbesetzung verhandelten Verfahren von 84 % auf 64 %.
In Haftsachen vor allgemeinen Strafkammern und dem Schwurgericht ist der Anteil an kleinen Verfahren mit geringem Aktenumfang von 54 % auf 37 % gesunken, während der Anteil von umfangreichen Verfahren von 16 % auf 24 % gestiegen ist. Dabei gibt es allerdings zwischen den einzelnen Gerichten große Unterschiede.
Bei einzelnen Gerichten liegt der Anteil an Haftverfahren, in denen Befangenheitsanträge gestellt werden, bei über 10 %.Jeder Befangenheitsantrag löst ein zeitaufwändiges und kompliziertes Prozedere aus. Deshalb sind sowohl vom ersten, als auch vom zweiten bundesweiten Strafkammertag (im Februar 2016 in Hannover, im September 2017 in Würzburg)verfahrensrechtliche Vereinfachungen gefordert werden, die auch im Strafkammerbericht dargestellt werden.
Gestiegen, nämlich von 28 % auf 37 %, ist der Anteil von Verfahren mit mehr als 11 Zeugen pro verhandeltem Haftverfahren vor den Strafkammern und Schwurgerichten.
(Pressemitteilung des OLG Celle vom 04.01.2018).

 

Änderungen im StGB und der StPO

Der (abgeschaffte) Richtervorbehalt zur Blutabnahme bei Gefährdung des Verkehrs oder Trunkenheit am Steuer

Früher musste im Falle einer Gefährdung des Straßenverkehrs und des Verdachts auf Alkoholkonsumein Richter die Blutentnahme beim Autofahrer anordnen, sofern keine Gefahr im Verzug vorlag. Demzufolge fand die Blutabnahme häufig erst wesentlich später statt als die Autofahrt. Das hatte für den Kraftfahrzeugführer bei tatsächlichem Alkoholkonsum den Vorteil, dass die gemessene Blutalkoholkonzentration entweder niedriger war oder schlicht gar kein Alkohol im Blut mehr nachgewiesen werden konnte. Doch damit ist nun Schluss: Der neue § 81a der Strafprozessordnung übergibt die Entscheidungskompetenz zur Blutabnahme im Wesentlichen nun der Polizei. In Zukunft kann also die Polizei bei Verdacht im Grundsatz selbst schon eine Blutabnahme anordnen, was den Prozess erheblich beschleunigt.

Fahrverbote nicht nur als Strafe für Straßenverkehrsdelikte

Bislang sieht das Strafgesetzbuch lediglich zwei Strafarten vor: Erstens die Freiheitsstrafe, die unter Umständen auch zur Bewährung ausgesetzt werden kann, und zweitens die Geldstrafe. Die nächste Neuerung in §44 des Strafgesetzbuches ergänzt diese zwei Arten der Strafe um eine weitere: Ab sofort können Fahrverbote als allgemeine Strafe für sämtliche Delikte des Strafgesetzbuches verhängt werden. Das soll beispielsweise reiche Menschen treffen, die eine „normale“ Geldstrafe in der Regel nicht sonderlich beeindruckt. Zu beachten ist jedoch, dass ein mehrmonatiges Fahrverbot als Strafe noch lange nicht bei allen Vergehen angemessen ist.

Die (reformierte) Erscheinungspflicht von Zeugen

Bislang waren Zeugen nur zur Aussage verpflichtet, solange sie von der Staatsanwaltschaft oder dem zuständigen Richter vorgeladen wurden. Auch hier erweitert die neuste StPO-Reform die Kompetenz zugunsten der Polizei: Künftig haben Zeugen auch die Pflicht, den Vorladungen der Polizei Folge zu leisten, soweit diese von der Staatsanwaltschaft angeordnet worden sind.

 

Strafzumessung beim sexuellen Missbrauchs eines Kindes

Bei der konkreten Strafzumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab, wobei  Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, nicht berücksichtigt werden dürfen (§ 46 Abs. 1 u. 3 StGB).  Es verstößt sowohl gegen das Verbot der Doppelverwertung (§ 46 Abs. 3 StGB) als auch gegen den Zweifelsgrundsatz, wenn bei einer Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes strafschärfend berücksichtigt wird, die „Tatfolgen seien nicht absehbar“.  Auch die Erwägung, es sei „trotz der zeitlichen Zäsur und der zwischenzeitlich empfundenen Reue zu einem weiteren Übergriff gekommen“, stellt im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB keinen zulässigen Strafschärfungsgrund dar. Schließlich darf die Lebensführung als solche dem Angeklagten nicht angelastet werden, solange sich diese weder als strafbares Verhalten darstellt noch sonst in einer Beziehung zu den abgeurteilten Taten steht (Oberlandesgericht Bamberg, 09.10.2017, Az.: 3 OLG 6 Ss 94/17).

 

Härtere Strafen für Einbrecher

Einbrecher werden künftig härter bestraft: Für den Einbruch in eine Privatwohnung gilt nun eine Mindeststrafe von einem Jahr Haft. Das Gesetz ist seit 22.07.2017 in Kraft.

 

Durchsuchung beim Nichtbeschuldigten (§ 103 StPO)

Beim Nichtbeschuldigten sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände und nur dann zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet (§ 103 Abs. 1 S. 1 StPO – Durchsuchung bei anderen Personen). Dem von einer Durchsuchungsmaßnahme nach § 103 StPO betroffenen Dritten ist grundsätzlich bei Vollzug der Maßnahme eine Ausfertigung des Anordnungsbeschlusses mit vollständiger Begründung auszuhändigen. Die Bekanntgabe der vollständigen Gründe kann in Ausnahmefällen bei einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs oder entgegenstehender schutzwürdiger Belange des Beschuldigten vorläufig zurückgestellt werden. Die Zurückstellung der Bekanntgabe umfasst jedoch im Regelfall nicht die Mitteilung der Tatsachen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit ergibt, dass sich die gesuchten Gegenstände in den Räumlichkeiten des Drittbetroffenen befinden (Bundesgerichtshof,  28.06.2017, Az. 1 BGs 148/17).

 

Gefährdung des Straßenverkehrs: Keine Bewährung für Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang

Ein nicht vorbestrafter Fahrer eines Kraftfahrzeugs, der bei einem vorsätzlich verkehrswidrigen Überholmanöver einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem ein Verkehrsteilnehmer tödlich und drei weitere z.T. schwer verletzt werden, kann mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten zu bestrafen sein, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung auszusetzen ist.

Diese Entscheidung der Vorinstanzen hat auch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm bestätigt. Der Angeklagte war mit einem Paket-Auslieferungswagen auf einer Landstraße unterwegs. Er hatte bereits bei einem Überholvorgang eine Linksabbiegerspur und eine durchgezogene Linie mit überhöhter Geschwindigkeit überfahren, als er sich einer Kreuzung näherte. Aus der Einmündung bog ein Pkw auf die Fahrspur das Angeklagten ein. Um hinter diesem Fahrzeug zu bleiben, hätte der Angeklagte seine Geschwindigkeit deutlich reduzieren müssen. Dies wollte er vermeiden. Er setzte zum Überholen des Fahrzeugs an und überfuhr hierbei eine Sperrfläche vor dem Einmündungsbereich sowie die für den Gegenverkehr vorgesehene Linksabbiegerspur. Dort kam ihm ein Pkw Skoda entgegen, der nach links abbiegen wollte. Dem Skoda folgte ein Pkw Dacia Duster. Der Angeklagte behielt seine Geschwindigkeit von ca. 75 bis 90 km/h bei und fuhr frontal auf den Skoda zu. Dessen Fahrerin konnte den Zusammenstoß mit dem Lieferwagen trotz eines Ausweichmanövers nicht vermeiden. Der hierdurch abgelenkte Lieferwagen kollidierte sodann mit dem Dacia. Dessen Fahrer erlitt bei dem Unfall tödliche Verletzungen. Die weiteren Insassen des Dacia und des Skoda erlitten zum Teil schwere Verletzungen.
Der Strafrichter am Amtsgericht verurteilte den zwar verkehrsordnungswidrigkeitenrechtlich, aber nicht strafrechtlich vorbelasteten Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung in drei Fällen und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Die Vollstreckung wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt. Zudem verlor der Angeklagte seine Fahrerlaubnis. Das Landgericht bestätigte im Berufungsverfahren die Verurteilung. Es setzte die Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis auf die gesetzlich zulässige Höchstfrist von fünf Jahren fest.
Die Richter am Landgericht haben die versagte Strafaussetzung zur Bewährung damit begründet, dass dem nicht vorbestraften Angeklagten zwar eine günstige Sozialprognose zu stellen sei. Nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten lägen aber keine besonderen Umstände vor, die es ermöglichten, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Vor dem Hintergrund des erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts der Tat, der sich maßgeblich aus der rücksichtslosen und risikobereiten Fahrweise des Angeklagten mit den darauf zurückzuführenden schweren Tatfolgen ergebe, rechtfertigten die zu seinen Gunsten sprechenden Umstände, insbesondere seine bisherige Unbestraftheit, keine Bewährung. Zudem sei die Vollstreckung zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten. Der Verkehrsverstoß weise neben den schweren Folgen einen erheblichen Unrechtsgehalt auf. Er sei Ausdruck einer verbreiteten Einstellung, die die Geltung des Rechts nicht ernst nehme. Das Verhalten des Angeklagten vor und nach der Tat zeige, dass er sich ohne Bedenken über Verkehrsregeln und die Sicherheitsinteressen anderer Verkehrsteilnehmer hinweggesetzt habe.
Gegen das Berufungsurteil hat der Angeklagte Revision eingelegt. Diese hat das Oberlandesgericht Hamm als unbegründet verworfen. Die Überprüfung des Urteils ergab keinen Rechtsfehler zulasten des Angeklagten, so die Entscheidung des Senats. (Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 23.3.2017, Az.: 4 RVs 33/17)

 

Btm-Handel und die Überschreitung der „nicht geringen Menge“

Beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge darf nur die Tatbegehung mit einer “nicht geringen Menge” für sich genommen nicht bei der Strafzumessung berücksichtigt werden; jedoch kann das Maß der Überschreitung des Grenzwerts in die Strafzumessung einfließen, soweit es sich nicht lediglich um eine Überschreitung in einem Bagatellbereich handelt. Ausgehend von der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens hat eine Überschreitung des Grenzwerts grundsätzlich strafschärfende Bedeutung (Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.03.2017, Az.: 2 StR 294/16).

 

Kein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen neuer Straftat

Das Gericht widerruft die Strafaussetzung zur Bewährung u.a. dann, wenn die verurteilte Person in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat. Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht, die Bewährungszeit zu verlängern Ein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung kommt jedenfalls grundsätzlich nicht in Betracht, wenn die neue Tat nach Ablauf der Bewährungszeit begangen wurde und erst danach – aus anderen Gründen – eine Verlängerung der Bewährungszeit erfolgt ist (Oberlandesgericht Karlsruhe, 14.3.2017, Az.: 2 Ws 59/17).

 

„Spätwirkung“ von Cannabis

Ein Kraftfahrer ist nach vorausgegangenem bewussten Konsum von Cannabis verpflichtet ist, vor Antritt der Fahrt durch gehörige Selbstprüfung – soweit erforderlich – nach Einholung fachkundigen Rats und notfalls, sofern eine eindeutige Beurteilungsgrundlage nicht zu erlangen ist, durch Abstandnahme von der Fahrt sicherzustellen, dass er nicht mit einem THC-Wert von 1,0 ng/ml im Blut ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führt.
Das Gericht darf auch bereits allein aus der Feststellung eines entsprechenden THC-Werts im Blut auf ein nach § 24a Abs. 2 und 3 StVG objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten schließen und damit wegen einer Ordnungswidrigkeit zu einem Bußgeld und ggf. „Punkte in Flensburg“ verurteilen.
Also, selbst wenn der Autofahrer beispielsweise am Tag vor der betreffenden Fahrt konsumiert hat und der Rest-THC-Wert im Blut 1,0 ng/ml oder mehr beträgt, darf der Richter auf das ordnungswidrige Verhalten schließe (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.02.2017, Az.: 4 StR 422/15).

 

Folge einer schweren Körperverletzung

Hat die Körperverletzung zur Folge, dass die verletzte Person ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann, ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren (schwere Körperverletzung, § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Für die Dauerhaftigkeit des Verlustes der Gebrauchsfähigkeit eines Körpergliedes (hier: Hand) – und damit für die Strafbarkeit wegen schwerer Körperverletzung nach § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB – kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob das Opfer eine ihm mögliche medizinische Behandlung nicht wahrgenommen hat (Bundesgerichtshof, 07.02.2017, Az.: 5 StR 483/16).

 

Zulässige Abstinenzweisung

Wird jemand zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt, kann das Gericht für die Dauer der Bewährungszeit Weisungen erteilen, um den Verurteilten zu unterstützen, keine Straftaten mehr zu begehen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden (§ 56 Abs. 1 S. 2 StGB).  Auch eine Abstinenzweisung, also die Weisung sich jeglichen Konsums nicht ärztlich verordneter Betäubungsmittel zu enthalten, ist zulässig, wenn der Verurteilte seinen Konsum grundsätzlich selbst steuern kann. Die Weisung ist dann nicht unzumutbar (Oberlandesgericht Karlsruhe, 23.01.2017, Az.: 2 Ws 6/17).

 

Absehen vom Fahrverbot wegen Krankheit

Krankheit kann einen Härtefall darstellen, der es rechtfertigt, von einem Fahrverbot nach einer Verkehrsordnungswidrigkeit abzusehen. Jedoch sind an ein Absehen vom Fahrverbot strenge Voraussetzungen zu stellen. Sieht das Tatgericht von der Verhängung eines Regelfahrverbotes wegen eines Härtefalls ab, so stellt es einen sachlich-rechtlichen Fehler dar, wenn die den Härtefall begründenden Feststellungen auf der Einlassung des Betroffenen beruhen, der Tatrichter die Richtigkeit dieser Einlassung aber nicht überprüft hat. Im Falle der schweren Krankheit muss das Gericht also z.B. nachprüfen, ob ein Taxi oder öffentliche Verkehrsmittel zur Fahrt zum Arzt an Stelle des eigenen Kfz verwendet werden kann, ob die Fahrtkosten ggf. durch die Krankenversicherung übernommen werden und welche Behandlungsbedürftigkeit und –intensität vorliegen (Oberlandesgericht  Bamberg, 17.01.2017, Az.: 3 Ss OWi 1620/16).

 

Computersabotage

Wer eine Datenverarbeitung, die für einen anderen von wesentlicher Bedeutung ist, dadurch erheblich stört, dass er eine Datenveränderung nach § 303a Abs. 1 begeht, er Daten in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen, eingibt oder übermittelt oder er eine Datenverarbeitungsanlage oder einen Datenträger zerstört, beschädigt, unbrauchbar macht, beseitigt oder verändert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 303b Abs. 1 StGB). Handelt es sich um eine Datenverarbeitung, die für einen fremden Betrieb, ein fremdes Unternehmen oder eine Behörde von wesentlicher Bedeutung ist, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe (§ 303b Abs. 2 StGB). Für die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes des § 303b Abs. 1 StGB ist es unerheblich, ob der betroffene Datenverarbeitungsvorgang rechtmäßigen oder rechtswidrigen Zwecken dient (Bundesgerichtshof, 11.01.2017, Az.: 5 StR 164/16).


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