Sexualstrafrecht Aufhebung von Verjährungsvorschriften
Die Verjährung von Straftaten, also die Möglichkeit, dass Taten nach Ablauf einer bestimmten Zeit nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden können, hat das Ziel, einen Rechtsfrieden einziehen zu lassen. Dies soll einem die Möglichkeit geben, mit der Vergangenheit abzuschließen und loszulassen, und den Blick und die Kraft auf die Gegenwart und Zukunft lenken.
Aus meiner Sicht nicht unbedingt der allerschlechteste Gedanke, wenn Straftaten sehr lange, teilweise Jahrzehnte, zurückliegen.
Der Gesetzgeber hat sich aber für die andere Möglichkeit entschieden. Die Verjährungsmöglichkeiten von Sexualstraftaten wurden teilweise immer weiter abgebaut. Die Verjährungsfristen wurden im Sexualstrafrecht über die Jahre hinweg massiv verschärft und teils rückwirkend verlängert.
Im Ergebnis können daher Sexualstraftaten teilweise auch nach 30 und mehr Jahren strafrechtlich verfolgt und bestraft werden. Tatvorwürfe können bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts zurückreichen. Ob es für einen sinnvoll ist, nach Jahrzehnten die alten Wunden wieder aufbrechen zu lassen, oder die Wunden nie verheilt waren und es einem Genugtuung verschafft, den Straftäter nicht ohne Strafe davonkommen zu lassen, ist eine höchstpersönliche Angelegenheit und kann kein Strafverteidiger, sondern nur ein Opfer für sich alleine entscheiden.
Wenn aber in solchen Fällen einzig die Aussage des mutmaßlichen Opfers als Beweismittel für eine Straftat vorhanden ist und der Beschuldigte dies bestreitet, halten wir eine strafrechtliche Aufklärung und Beurteilung der tatsächlichen Geschehnisse nach Jahrzehnten für meist sehr schwierig bis unmöglich.
Dennoch kommt es hier regelmäßig zu Anklagen und auch zu Verurteilungen zu langjährigen Haftstrafen.
Bei Staatsanwaltschaften und Gerichten sind häufig nur die aktuellen und neuesten Gesetzestexte und Gesetzeskommentare vorhanden. Bei den Strafermittlungen wird daher nicht selten übersehen, dass Vorwürfe, die nach neuster Rechtslage noch nicht verjährt sind und verfolgt werden können, bereits in der Vergangenheit verjährt sind und daher trotz Verlängerung der Verjährungsfrist nicht mehr verfolgt werden dürfen.
So war beim Tatvorwurf der sexuellen Nötigung / Vergewaltigung im „alten“ Sexualstrafrecht vor 2016 z.B. eine zielgerichtete Gewaltanwendung mit Nötigungswirkung auf das Opfer zwingende Voraussetzung für die Strafbarkeit. Im neuen Recht ab 2016 reicht aber eine nicht übersehbare Anzahl an gewaltlosen Handlungen für den Vorwurf einer Vergewaltigung völlig aus.
Bei allen Tatvorwürfen ist aber immer nur das zur Tatzeit geltende Sexualstrafrecht anzuwenden, nicht das aktuelle.